Offener Brief an den Koalitionsausschuss und Finanzminister Olaf Scholz zum Corona-Konjunkturpaket und der geplanten temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes (updated 08. Juni)

Sehr geehrter Herr Scholz, sehr geehrte Damen und Herren,

Danke, dass Sie sich Gedanken um die Ökonomie unseres Landes und mögliche Erleichterungen für Unternehmer und Verbraucher machen.

Wir führen mehrere kleine Betriebe, u.a. im Bereich Buchhandel und Grafik.

Mit Bestürzung haben wir soeben die Information erhalten, dass Sie planen die Mehrwertsteuersätze für ein halbes Jahr temporär um 2-3% zu senken.

Wir müssen davon ausgehen, dass Sie über die praktische Umsetzung die damit verbunden wäre, nicht im Bilde sind. In Zeiten der Digitalisierung ist eine solche Umstellung mit enormen Aufwänden und entsprechenden Kosten verbunden. Im angedachten Fall würde dies innerhalb von 6 Monaten gleich zweimal nötig werden. Dies ist für unsere Buchhaltung und unsere Betriebe absolut nicht darstellbar und würde die Einsparungen (oder vergrößerte Margen) nicht nur auffressen, sondern deutlich übersteigen. Dies wäre für uns nicht so umsetzbar, und wir müssten uns ernsthaft überlegen, einen Teil unserer Geschäftsbetriebe aufzugeben. Dies würde auch mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten einher gehen.

Wir sind uns sicher, dass es vielen anderen (v.a. kleinen und mittleren Betrieben) ähnlich ergehen würde.

Diese Maßnahme wäre für eine Vielzahl von Menschen keine Hilfe sondern ein extremer Mehraufwand (organisatorisch wie finanziell).

Wir bitten Sie eindringlich davon Abstand zu nehmen!

Entweder lassen Sie die Umsatzsteuersätze /Mehrwertsteuersätze einfach wie Sie sind, oder senken Sie diese bei gleichzeitiger Garantie diese nicht vor dem Ablauf von 2 Kalenderjahren und ausschließlich zum Jahreswechsel ber 01.01.2022 frühestens wieder zu erhöhen.

Ansonsten würden Sie der deutschen Wirtschaft großen Schaden zufügen und weitere Geschäftsschließungen hervorrufen.

Bitte informieren sie sich ausreichend über Folgen Ihrer Politik.

Bitte nehmen Sie in Ihren Sachverständigenrat auch Mitglieder auf, die Expertise und Erfahrung mit der Führung von Kleinbetrieben haben.
Es macht den Anschein, dass Sie zur Zeit nur von Vertretern großer Unternehmen beraten werden, die ja eine solche Umstellung auch aufgrund ihres gesamt-Umsatzvolumens vermutlich wirtschaftlich sinnvoll darstellen können.

Bitte überdenken Sie die geplanten Schritte, und versuchen dabei auch die Realität der meisten Selbstständigen und Kleinbetriebe in Deutschland in den Blick zu nehmen. Wenn Sie helfen wollen, treten Sie in Dialog und nehmen SIe sich die Zeit zu verstehen, was die Bedürfnisse der Menschen sind.
Leider wird in unserer Wahrnehmung bereits seit mehr als einem Jahrzehnt, vor allem was Bürokratie und Aufwand damit angeht, an der Mehrzahl der Betroffenen „vorbei-regiert“. Leider werden viele Neuerungen als Gängelei empfunden.

Sie wollen wirklich helfen? Vereinfachen Sie endlich das deutsche Steuersystem radikal, und schaffen Sie 95% aller Regelungen ab. Es gab mal den Ansatz eines Heidelberger Professors mit einem Bierdeckel, der Ihnen sicher als Anekdote bekannt sein dürfte. Dies war vielleicht „zu weit gegangen“, es wäre Ihnen jedoch im Hinblick auf „ein Deutschland in dem es sich gut und gerne Leben lässt“ zu raten Ihre Bestrebungen in diese Richtung zu lenken. So können Sie für die Betriebe, den Staatsapparat und die Bevölkerung viele Aufwände und Kosten einsparen, und sich als Poliiker auch populärer machen.

Mit den besten Grüßen und Wünschen

Alexander Beckmann, Roßdorf, 04. Juni 2020


Nachtrag zum offenen Brief  an den Koalitionsausschuss und Finanzminister Olaf Scholz zum Corona-Konjunkturpaket und der geplanten temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes vom 04. Juni

08. Juni 2020

Sehr geehrter Herr Scholz, sehr geehrte Damen und Herren,

letzten Donnerstag hatte ich Ihnen einen Brief gesendet, um Ihnen einen erweiterten Überblick über mögliche Auswirkungen der Umsatzsteuersenkung zu geben und die Entscheidung zu überdenken.

In der Zwischenzeit haben wir uns mit Kollegen und Informatikern ausgetauscht, und festgestellt, dass es technisch NICHT UMSETZBAR ist, innerhalb von drei Wochen (bzw. noch weniger Zeit, da man ja erstmal die konkrete Ausformung abzuwarten hätte) die verschiedenen Systeme anzupassen, dass diese mit den neuen Umsatzsteuersätzen umgehen können.

Damals bei der Erhöhung von 16% auf 19% waren die digitalen Systeme noch nicht so komplex wie heute – dennoch hat die Umstellung nahezu ein halbes Jahr Arbeit in Anspruch genommen.

Die Umsatzsteuer nun so rasch ab Juli zu senken (und dies auch noch nur temporär für ein halbes Jahr so beibehalten zu wollen) würde nicht blos großen wirtschaftlichen Schaden hervorrufen, sondern zusätzzlich auch noch viele kleinere Unternehmer in die Illegalität drängen, da es schlicht nicht möglich ist eine derart komplizierte System-Umstellung so kurzfristig umzusetzen.

Meine eindringliche Bitte: nehmen Sie dieses Ansinnen wieder zurück! Wenn Sie Veränderungen bei der Umsatzsteuer anstreben, dann dürfen Sie auch angemessene Fristen für eine technische Umsetzung gewähren. Dies wäre mindestens 6 Monate.

Ich bitte dringend darum derartige Umstände bei Ihren Überlegungen zur berücksichtigen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit den besten Grüßen und Wünschen

Alexander Beckmann, Roßdorf, 08. Juni 2020

Das könnte dich auch interessieren …