Aufruf zu einer Lokalwährung mit dem Namen Heiner

Aufruf zu einer „Lokalwährung“ in Form von Arbeitswertscheinen mit dem Namen „Heiner“ für Darmstadt und Umgebung

Offener Brief an die Darmstädter Stadtverordneten-Versammlung und die Bürgermeister und Dezernenten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte für einige Minuten um Ihre Aufmerksamkeit.

Der Zustand der öffentlichen Kassen und der unserer Strassen hat eines gemeinsam: Löcher, wohin man schaut. Die Lage scheint, wie ich der Presse entnehme, aussichtslos. Nicht nur, dass die Stadt wohl keinesfalls ohne Neuverschuldung auskommt, dazu muss auch noch gekürzt werden wo es geht. Der Euro verliert an Stabilität, zumindest an den virtuellen Märkten, an denen es keine Sicherheit oder auch nur mittelfristige Stabilität mehr zu geben scheint.

Allgemein ist die Lage der verschuldeten öffentlichen Hand eine scheinbar aussichtslose Situation. Die starke Verschuldung, die Zinszahlungen impliziert, belastet die Haushalte derart, dass kaum noch Geld für soziale und kulturelle Projekte vorhanden ist und die Neuverschuldung dennoch steigt. Die neuesten Veränderungen im Besteuerungssystem seitens der Bundesregierung verschlimmert die Lage für die Gemeinden offensichtlich noch erheblich.

Der Zeitung von gestern (Darmstädter Echo 09.12., Kopie der schriftlichen Fassung anbei) entnehme ich, dass derzeit auch in Darmstadt immerhin schon über die Gesellschen Theorien diskutiert wird. Die nehme ich zum Anlass Ihnen heute ganz konkret die Einführung einer Regionalwährung (umlaufgesichert) vorzuschlagen.

Manche unter Ihnen haben vielleicht schonmal von der „Wertschöpfung in öffentlicher Hand“ gehört. In früheren Zeiten war solche eine Selbstverständlichkeit. Die jeweilige Staatsführung hatte mit Ihrer Finanzhoheit die Kontrolle über den Prozess der Geldschöpfung. Heute jedoch liegt diese Kontrolle, was manche von Ihnen vielleicht wundern wird, auch wenn nun teilweise schon öffentlich darüber debattiert wird, größtenteils in privater Hand. Die öffentlichen Kassen zahlen also de facto Zinsen an private Geldgeber (über Staatsanleihen aber auch viele andere Finanzinstrumente). Damit wird ein (immer größer werdender) Teil des Steueraufkommens für Zinszahlungen benötigt und steht nicht mehr für die öffentlichen Aufgaben zur Verfügung. Wie würde sich der Geldkreislauf und das Steueraufkommen im Verhältnis zu den öffentlichen Ausgaben verhalten, wenn das Geld schneller umläuft? Das Steueraufkommen steigt mit der Umlaufgeschwindigkeit. Ebenso steigen der Wohlstand und die Arbeitslosigkeit sinkt.

Zur Zeit der letzten großen Weltwirtschaftskrise gab es in einer kleinen Stadt in Österreich einen Versuch mit einer Regionalwährung, der von der Gemeindeverwaltung initiiert wurde und so zu großer Akzeptanz unter der Bevölkerung und damit zu einem starken regionalen wirtschaftlichen Aufschwung, führen konnte. Dieses Beispiel ging als „Das Experiment von Wörgl“  oder auch  „Das Wunder von Wörgl“ in die Geschichte ein. Auch heute gibt es weltweit sehr viele und in Deutschland zumindest einige Initiativen für regionale Währungssysteme. Bisher hat es meines Wissens nach aber noch keine Gemeindeverwaltung gewagt, auch die Gewerbesteuer in der regionalen Währung (vgl. z.B. Chiemgauer, Sachsentaler, Siegtaler u.v.m.) zu akzeptieren. Durch Ausgabe und Akzeptanz der regionalen „Arbeitswertscheine“ seitens der öffentlichen Hand, würde deren allgemeine Akzeptanz bei den Geschäftsleuten sehr gestärkt werden. Zudem könnte die Gemeindeverwaltung sich durch die Geldschöpfung (von beispielsweise „Heinern“) schrittweise von den Schulden in Euro befreien.

Ein wichtiger Punkt ist die schrittweise Abwertung des Geldes, der dem Horten entgegen wirkt und die Umlaufgeschwindigkeit erheblich beschleunigt. Es bietet sich eine Abwertung von zwischen 5,2% im Jahr (1 Promille/Woche), und 12% im Jahr (1% im Monat) an. Von diesem zusätzlich eingenommenen Geld bei der emittierenden Stelle wird einerseits die Herstellung und Verwaltung finanziert und darüber hinaus in soziale und kulturelle Projekte investiert.

Um die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu stärken kann die Stadtverwaltung z.B. Ihren Angestellten 10% mehr Gehalt anbieten, wenn diese bereit sind mindestens 30% in der regionalen Währung zu erhalten. Somit  könnte die Stadtverwaltung zusätzliches Personal einstellen oder hätte freie Kapazitäten für Ankauf von Materialien und Leistungen, welche in Euro zu begleichen wären. Die sozialen Projekte und kulturellen Einrichtungen sollten nach einem ähnlichen Schema dann 25% mehr Mittel, aber dafür 50% der Gesamtmittel in „Heiner“ erhalten. Durch die Geldschöpfung in der öffentlichen Hand, die mit Ihren Werten und Besitztümern, das ausgegebene Zahlungsmittel deckt, ergibt sich eine schrittweise Befreiung von Schuldenlast und Zinszahlungen, da frisches Geld im Rahmen eines gemeinnützigen Vereins o.ä. selbst neu geschöpft wird und parallel umläuft. Klein-Kredite wären einfach und Zinsfrei möglich.

Meiner Ansicht schreit die Zeit nach weitreichenden Veränderungen. Wir sollten diese auf regionaler Ebene und geeint angehen, wenn wir wirklich etwas bewirken wollen, was in seiner Auswirkung unmittelbar positive Ergebnisse zeigt. Wir müssen uns bemühen neu zu denken. Der Zins ist die Wurzel von vielerlei Übel und die mit ihm einhergehende Verknappung des Geldes im Umlauf, und dessen ständiger Streik im Falle zu geringer Zinsen beschreiben einen Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Die übliche Volksmeinung glaubt hier an einen Zusammenbruch im umgekehrten Fall: das Geld würde streiken, wenn es keinen Zins mehr erwirtschaften kann. Das mag im „zinsradikalen“ Euroraum so sein, kommt aber auf die „Beschaffenheit“ des Geldes an. Rostet es, das heißt, wertet es sich schrittweise (zu einem öffentlichen, sozial-kulturellen Zweck!) künstlich ab, bleibt immer genug im Umlauf, ja die Geschwindigkeit beschleunigt sich, da niemand die Abwertung (jenseits der üblichen Inflation) in Kauf nehmen möchte.

Ich empfehle zur Sanierung der öffentlichen Haushalte und Belebung des öffentlichen sozialen und kulturellen Lebens unverzüglich mit den Vorbereitungen zur Einführung einer regionalen Währung nach Vorbild des Experiments von Wörgl zu beginnen und diese schnellstmöglich in den kommenden Wochen umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass die Darmstädter Bevölkerung und vor allem die Geschäftsleute eine solche Währung sehr begrüßen würden. Wäre z.B. mit einem monatlichen Abschlag von 1% zu rechnen, würde jeder vor Monatsende noch schnell versuchen seine Heiner unter die Leute zu bringen, damit dann der nächste den Abschlag in Kauf nehmen muss. Das könnte dazu führen, dass je näher das Monatsende rückt, der Geldumlauf nochmals umso stärker beschleunigt würde. Davon würden alle derart profitieren, dass das eine Prozent Abwertung dem Ertrag für den Geschäftsmann, bei dem es letztendlich hängenbleibt, wie ein Nichts gegenübersteht.

Die genaueren Modalitäten der Einführung sollten im Rahmen der Vorbereitungen geklärt werden. Zur Einführung empfiehlt sich die Gründung eines Trägervereins und die Wahl von Vertrauenspersonen des öffentlichen Lebens (z.B. Pfarrer, Stadtverordnete, lokale Geschäftsleute mit inhabergeführten (!) Firmen) zu dessen Vorständen und Kontrollorganen. Meiner Ansicht nach sollte die Stadtverwaltung nicht allein Emittent der Heiner werden, auch die Handwerker und Geschäftsleute sollten partizipieren. Das würde auch zu einer hohen Stabilität der lokalen Währung führen, da die Emissionen durch Leistungen gedeckt sind. (Für den Städtischen Anteil durch Sozialleistungen und Leistungen der Angestellten für das Gemeinwohl. Durch den Trägerverein könnten dann z.B. auch zinslose Kleinkredite vergeben werden. Durch die schrittweise Abwertung würde sich eine Zinslosigkeit von selbst verstehen und die lokale Wirtschaft würde stark belebt werden. Die Versorgungsbetriebe, an denen die Stadt noch Anteile besitzt, und der öffentliche Nahverkehr, sollten zur Annahme des Heiners ebenfalls verpflichtet sein.

Warum der Name „Heiner“ naheliegt, erschließt sich einem jeden solchen vermutlich schon von selbst. Die Darmstädter haben als „Heiner“ eine besondere Identifikation mit ihrer Stadt und so sollten wir auch den „Heiner“ als das lokale Tausch-Mittel einführen um den Heiner-Bürgern zu einer schönen, modernen, gut funktionierenden und unverschuldeten Stadt zu verhelfen. Zudem böte eine derartige lokale Währung eine gewisse Unabhängigkeit im Falle eines Zusammenbruchs des Euro, z.B. durch einen Staatsbankrott im Euro-Raum oder Spekulationen die dem Euro feindlich gesinnt sind.

Da ein solcher Brief nicht zur vollständigen Erklärung der Wirk-Mechanismen einer regionalen Währung mit schrittweiser Abwertung (vgl. rostende Banknoten), ausreicht, empfehle ich zum besseren Verständnis die Lektüre des kleinen Buches „Das Experiment von Wörgl“ von Fritz Schwarz (erschienen im Synergia Verlag, Darmstadt) sowie anderer Schriften zum Thema „Freiwirtschaft“ und „Schwundgeld“.

Diesem Brief liegt in der postalischen Variante „Das Experiment von Wörgl“ bei. Falls die Stadtverordneten-Versammlung sich des Themas annehmen möchte, bin ich als Verleger bereit eine Sonderausgabe des Büchleins in ausreichender Stückzahl zur Verfügung zu stellen.

Für ein regionales Schwundgeld mit dem Namen „Heiner“

Alex Beckmann

Darmstadt, 10.12.2010

Literaturhinweise:

Das Experiment von Wörgl von Fritz Schwarz ISBN: 978-3-9810894-5-5

Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker Band 1 von Fritz Schwarz ISBN: 978-3-940392-03-9

Fließendes Geld von Ludwig Gartz ISBN: 978-3981250701

Vorwärts zur festen Kaufkraft des Geldes und zur zinsbefreiten Wirtschaft von Fritz Schwarz ISBN: 978-3-940392-01-5

Wer hat Angst vor Silvio Gesell von Hermann Benjes ISBN: 978-3-00-000204-5

Geld ohne Zinsen und Inflation von Margrit Kennedy ISBN: 978-3-442-12341-4

100%-MONEY – 100%-GELD von Irving Fisher ISBN: 978-3-87998-451-0

Falls dieser Brief in Medien gekürzt wiedergegeben werden sollte, muss er mit dem folgenden Hinweis versehen werden:

Die ungekürzte Version ist im Internet auf www.alex-beckmann.de zu lesen.

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